Osteopathie bei CMD und Kieferbeschwerden

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Was sind Kieferbeschwerden bzw CMD?

CMD (Craniomandibuläre Dysfunktion) ist ein medizinischer Fachbegriff, der sich auf Störungen im Bereich der Kiefergelenke und der Kaumuskulatur bezieht. Diese Störungen können zu einer Vielzahl von Symptomen führen, die sich negativ auf die Lebensqualität auswirken können. Das Wort „cranio“ stammt vom Wort „cranium“ und bedeutet Kopf. „Mandibulär“ stammt vom Wort „mandibula“ und bedeutet Unterkiefer. Es handelt sich um eine Funktionsstörung zwischen diesen beiden Gelenkspartnern.  

Woher kommen Kieferbeschwerden oder CMD?

Es gibt verschiedene Faktoren, die zur Entwicklung von CMD beitragen können. Dazu gehören unter anderem: 

Zähneknirschen und -pressen (Bruxismus)

Zähneknirschen und -pressen, auch Bruxismus genannt, kann zu einer Überlastung der Kaumuskulatur und der Kiefergelenke führen. Betroffene „mahlen“ mit ihren Zähnen aufeinander, drücken oder pressen sie gegeneinander, kauen auf der Backe oder drücken mit der Zunge gegen die Zähne. Dies geschieht meist unbewusst und wird über den ganzen Tag und teilweise sogar nachts durchgeführt. Für eine derart konstante Belastung sind unsere Zähne, das Kiefergelenk und die Kaumuskulatur nicht ausgelegt, sodass diese Strukturen überlasten. Die Zähne können stumpf werden, das Kiefergelenk schmerzt und die Muskulatur verspannt sich. Diese Verspannungen können sich über den gesamten Kopf/Schädel ausbreiten und sogar bis in die Hals-/Nackenmuskulatur ausstrahlen.

Zu viel Kauen

Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist auch die tägliche Häufigkeit des Kieferschlusses. Der Kauapparat einer Person wird anders belastet, wenn diese täglich nur 2-3 Mahlzeiten zu sich nimmt oder 3-5 Mahlzeiten verspeist und dazwischen dauerhaft Kaugummi kaut. Der Kauapparat benötigt zwischendurch auf Pausen. 

Fehlstellungen der Zähne und des Kiefers

Wenn die Zähne und der Kiefer nicht richtig aufeinander abgestimmt sind, kann dies zu einer Überbelastung der Kiefergelenke führen. Hier ist der Zahnschluss (die Okklusion) von vorne herein anatomisch gestört. Der Biss auf die Zahnreihen erfolgt nicht gleichmäßig, sodass sich manche Zähne teilweise gar nicht mehr berühren. Diese asymmetrische und ungleichmäßige Belastung führt ebenfalls du Stressreaktionen in Kiefergelenk und Muskulatur. Dies Fehlstellungen können angeboren oder erworben sein. Typische angeborene Fehlstellungen sind de Kreuzbiss, Überbiss oder Unterbiss. Wobei hier auch in Betracht gezogen werden muss, dass diese Fehlstellungen auch erworben werden können. Die Konsistenz der Nahrung im Entwicklungsalter ist hier sehr entscheidend! Erworbene Fehlstellungen können durch eine dauerhafte, nicht behandelte CMD, Unfälle oder schlecht sitzende Zahnimplantate entstehen.

Stress

Stress kann zu Verspannungen in der Kaumuskulatur führen,was zu einer Überlastung der Kiefergelenke führen kann. Im gestressten Zustand tendieren wir dazu die „die Zähne zusammenzubeißen“. Das Sprichwort „Streng dich an und beiß die Zähne zusammen!“ ist jedem bekannt und macht deutlich, dass Anstrengung / Stress mit einem angespannten Kiefer in Verbindung steht.
Beobachten Sie sich selbst, wenn Sie das nächste Mal vor einer schwierigen oder sogar unangenehmen Aufgabe stehen.. was macht Ihr Kiefergelenk? Fühlen Sie sich dauerhaft gestresst?
Beobachten Sie auch hier, was Ihr Kiefer macht!

Erfahren Sie hier mehr zum Thema: Stress

Verletzungen und Traumata

Verletzungen im Bereich des Kiefers und der Kaumuskulatur, des Schädels oder der Halswirbelsäule können zu einer CMD führen. Schon der versehentliche Biss auf einen harten Gegenstand, wie z.B. einen kleinen Stein oder ein Stück Knochen im Essen, kann zu einer Verspannung der Muskulatur führen. So wie andere Muskeln auch, die unvorhergesehen auf starken Widerstand treffen (z.B. tritt ins Leere/Sturz), kann sich die Kaumuskulatur nach einem solchen Vorfall verspannten. Aber auch Verletzungen im Bereich des Kopfs oder der Halswirbelsäule können aufgrund der anatomischen Zusammenhänge zu einer CMD führen. 

Was sind die Symptome einer CMD?

 

Schmerzen im Kiefer und Gesichtsbereich
An erster Stelle natürlich die Schmerzen im Kiefer- und Gesichtsbereich stehen. Diese können sich verschlimmern, wenn Mund geöffnet, geschlossen oder gekaut wird. Ein dauerhaftes Spannungsgefühl im Bereich des Kiefers ist typisch. Auch einzelne Zähne können ein „drückendes“ Gefühl auslösen.
 

Kopfschmerzen

CMD kann zu Kopfschmerzen und Migräne führen, die aufgrund der Überlastung der Kiefergelenke auftreten können. Der große Kaumuskel M. temporalis spannt sich über einen großen Teil der Schläfen und des seitlichen Schädels. Spannungen in diesem Bereich führen zu einem Druckgefühl im Kopf und können dort Schmerzen auslösen.

Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich

CMD kann zu Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich führen, da die Verspannungen in der Kaumuskulatur in diesen Bereich ausstrahlen können. Ein einfacher Test/Beweis dafür ist ein Beweglichkeitstest: Drehen Sie den Kopf mit offenem Kiefer/Mund nach rechts und links. Wiederholen Sie die Bewegung mit fest aufeinander gedrückten Zähnen. Wie Sie vermutlich spüren, ist die Beweglichkeit der Halswirbelsäule stark an den Kieferschluss gekoppelt.

Tinnitus

CMD kann zu Tinnitus führen, der als Ohrgeräusch oder Klingeln im Ohr wahrgenommen wird. Eine stark ausgeprägte CMD kann auch das nahe gelegene Hörorgan mit beeinträchtigen. Nicht selten sind auch Schmerzen und Empfindlichkeit im Bereich des Gehörgangs.

Wie können Kieferbeschwerden behandelt werden?

Die Behandlung einer CMD hängt von der Schwere der Erkrankung ab. Diese reicht von Entspannungsübungen und Massagen der betroffenen Muskulatur, über Schienentherapie bis hin zu chirurgischen Eingriffen und der Anpassung von Zahnstellungen. Zahnärzte und Kieferorthopäden sind hierfür die richtigen Ansprechpartner. Mit weniger invasiven Methoden versucht die Osteopathie an das Problem heranzugehen. 

Wie kann die Osteopathie bei Kieferbeschwerden / CMD helfen?

Gerade funktionellen Störungen des Kauapparates kann die Osteopathie sehr hilfreich sein. Das heißt bei den Fällen, in denen die Beschwerden aufgrund von Verspannungen entstanden sind. Extreme Fehlstellungen und anatomische Störungen sind eher einer Kieferorthopädischen Behandlung zu unterziehen.

Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz versucht die Osteopathie die Ursachen der jeweiligen Problematik zu ergründen. Dazu zählt der Einbezug des gesamten Körpers in die Behandlung. Wie oben bereits beschrieben können auch Einflüsse aus der Halswirbelsäule zu Kieferproblemen führen. Eine schieße Nasenscheidewand kann zu großen Spannungen im Oberkiefer (Maxilla) führen. Die Möglichkeiten an verschiedenen anatomischen Verbindungen sind vielfältig und können hier nicht alle aufgezählt werden. Doch es ist klar, dass eine isolierte Betrachtung des Kieferbereichs nur in wenigen Fällen erfolgreich sein kann.

Um dem Problem auf die Spur zu kommen, ist es ebenso wichtig zu erfahren, welchen Einflüssen der Kieferbereich (und der ganze Körper) bereits unterstand. Gab es Unfälle, Traumata, Operationen, Zahnersatztherapie? Sehr häufig zu beobachten sind CMD-Beschwerden nach dem Tragen von Zahnspangen im Jugendalter. Damit soll nicht gesagt werden, dass Zahnspangen schädlich sind. Im Gegenteil – sie sind ein Segen für die Zahn- und Kiefergesundheit vieler Menschen. Doch die physikalischen Kräfte, die bei einer festen Zahnspange auf die Kiefer und Gesichtsknochen wirken sind enorm. Das permanente Drücken und Schieben der Zähne in die gewünschte Richtung – und das teilweise über Jahre, kommt einem Trauma gleich. Meist werden die Apparate im Wachstumsalter getragen, sodass sich der Körper gut an die Form der Zahnspange anpassen kann. Trotzdem handelt es sich um einen gewaltvollen Akt. Der Druck und die Spannung, die auf die Zähne ausgeübt werden, muss irgendwohin abgeleitet werden. Meist sind Unterkiefer und Oberkiefer – die Knochen, in denen die Zähne verankert sind, diejenigen Strukturen, die diese Spannung auffangen und in sich halten. Eine manuelle Therapie des Kieferbereichs sollte standardmäßig begleitend zum Tragen einer Spange verschrieben werden.

 

Mit osteopathischen Techniken wird versucht diese übrige Spannung, egal ob von einer Zahnspange oder einem Trauma, aus der Körper abzuleiten. Ziel ist es, ein harmonisches Gleichgewicht an Spannungen im Körper zu erreichen, sodass der Körper auftretende Kräfte gleichmäßig verteilen kann. Dabei kann es durchaus nötig sein den Innenraum der Mundhöhle und die Zahnleisten zu ertasten. Dazu werden spezielle, für die Palpation geeignete Fingerhandschuhe getragen. 

 

Was kann ich selbst gegen Kieferschmerzen tun?

Zähneknirschen und -pressen sind ein einfaches Verhalten. Wie Fingernägel Kauen, Fäuste Ballen, Bauch Anspannen oder Luft Anhalten sind es Verhaltensweisen, die man sich angeeignet hat, um etwas zu kompensieren bzw. Stress abzubauen. Diese Strategie muss unterbrochen werden. Das ist leichter gesagt als getan. Am besten wäre es, das grundliegende Stressniveau zu senken. Als allerwichtigsten Punkt gilt es herauszufinden: was stresst mich? Warum bin ich angespannt? Die Antwort „ich bin halt so“ gilt nicht. Setzen Sie sich mit Ihrem inneren auseinander. Atemübungen, Meditation und Achtsamkeitstraining können hier helfen. Dann unterbrechen Sie das Verhaltensmuster! Werden Sie sich der Momente bewusst, in denen die Zähne „Mahlen“ und hören Sie auf damit. (Was sind das für Momente?) Achten Sie darauf, kein anderes Kompensationsmuster zu entwickeln!

In der Arbeit als Osteopath, konnte ich bei vielen Patient/innen herausfinden, dass besonders die sogenannte pterygoidale Muskulatur stark verspannt und schmerzhaft ist. Das Lösen der Spannungen in diesem Bereich führt häuft schon zu einer Besserung der Beschwerden. Dies können Sie auch selbst tun:

  1. Für die linke Seite nehmen Sie Ihren rechten Zeigefinger und wandern Sie damit die linke obere Zahnreihe entlang (Fingernagel Richtung  Zähne) bis zum letzten Backenzahn
  2. Mit Ihrer Fingerkuppe sollten Sie auf einen knöchernen Widerstand treffen, dies ist der Processus temporalis
  3. Schieben Sie den Finger in den Raum zwischen den Processus temporalis und Backenzahn
  4. Je weiter Sie nach hinten wandern und den Finger nach außen drücken, desto mehr Spannung ist wahrzunehmen
  5. Die Schmerzen sollten nicht zu stark sein, wählen Sie ein erträgliches Maß und versuchen Sie mit sanftem Druck immer tiefer zu gelangen
  6. Ziel ist es, diesen Raum zu weiten, sodass das Kiefergelenk sich wieder frei bewegen kann
  7. Widerholen Sie den Vorgang auf der anderen Seite

Zusammenfassung

CMD ist eine Erkrankung, die zu Schmerzen und anderen Symptomen im Kiefer- und Gesichtsbereich führen kann. Es gibt verschiedene Faktoren, die zur Entwicklung von CMD beitragen können, darunter Zähneknirschen und -pressen, Fehlstellungen der Zähne und des Kiefers, Stress und Verletzungen. Die Behandlung hängt von der Schwere der Erkrankung ab und kann Entspannungsübungen, Schienentherapie oder in seltenen Fällen eine Operation umfassen. Mithilfe der Osteopathie können die Ursachen einer CMD oder Kieferbeschwerden behoben werden. Durch präventive Maßnahmen wie Vermeidung von Zähneknirschen und -pressen, gesunde Ernährung und Stressbewältigung können Sie das Risiko von CMD reduzieren.

 

 

Anmerkung: Schmerzen im Kieferbereich können auch Phasenweise für eine bis zwei Wochen auftreten und sich nicht gleich mit einer CMD gleichzusetzen. Geben Sie Ihrem Körper etwas Zeit und entspannen Sie den Kiefer. Sollten die Beschwerden selbst nach Wochen nicht nachlassen, suchen Sie einen Osteopathen / eine Osteopathin auf.